Zwischen 2.500 und 3.000 Demonstrierende sind laut Polizei am Freitagabend durch die Innenstadt gezogen.

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Yin und Yang müssen Linke und Rechte noch üben. Von einander ergänzenden, dualen Kräften war am Freitagabend in der Wiener Innenstadt erwartungsgemäß nichts zu spüren. Nach der Pandemiepause ging es mit dem Akademikerball so weiter, wie es vor drei Jahren zwischenzeitlich geendet hatte: In der Hofburg fand der umstrittene, von der Wiener FPÖ veranstaltete Ball der Burschenschafter statt, draußen auf der Straße, außerhalb der von der Polizei verhängten Sperrzone, wurde es bei den Protesten gegen die Veranstaltung laut.

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Ukrainische Diaspora

Die Polizei war mit rund 1.200 Frauen und Männern im Einsatz, die Strategie lautete, die Proteste möglichst weit weg von der Hofburg zu halten. Außerdem war für die Innenstadt auch eine große Kundgebung der ukrainischen Diaspora in Österreich angesagt, Freitag war der erste Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Ihr Demonstrationszug war, gemessen an der Teilnehmerzahl, die größte Kundgebung des Abends. Rund 8.000 Menschen versammelten sich am frühen Abend vor dem Parlament. Überall blieb es friedlich.

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Gedenken an Gestapo-Opfer

Am Abend zuvor war es bei einer ersten Anti-Akademikerballdemo zu Ausschreitungen gekommen. Nach Angaben der Polizei wurden dabei drei Beamte verletzt. Am Freitagabend, dem eigentlichen Tag des Balls, blieb es ruhiger. Auf dem Weg zum Morzinplatz, wo die Schlusskundgebung unter dem Motto "Faschos aus der Hofburg schmeißen" stattfand, wurden lediglich Feuerwerkskörper entzündet, aber keine abgeschossen. Sprechchöre riefen unter anderem "Anti, Anti, Anticapitalista!". Ein Transparent zeigte die Aufschrift: "Heast Kickl, wüst' an Wickl?", ein anderes stellte die Gleichung "Mensur ist Menstruationsneid" auf.

Der Morzinplatz war nicht zufällig ausgewählt, stand hier doch einst das Hotel Métropole, in dem sich von 1938 bis 1945 während der Nazi-Herrschaft die gefürchtete Zentrale der Wiener Gestapo befand. Heute erinnert dort ein Mahnmal an die Gestapo-Opfer.

"Verkleidete Kellernazis"

Kritik am Akademikerball kam im Vorfeld vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch. "Heute beschämen wieder verkleidete Kellernazis ganz Österreich", teilte Deutsch in einer Stellungnahme an die Austria Presse Agentur mit. Auch die Wiener Grünen zeigten sich empört. Gemeinderätin Viktoria Spielmann fand es "beschämend, dass der rechtsextreme Akademikerball nach wie vor in den repräsentativen Räumen der Republik stattfinden darf".

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Rund um die Hofburg wurde wie immer eine polizeiliche Sperrzone gezogen, in die nur Ballgäste und Medienvertreter eingelassen wurden. Das Innere des Veranstaltungsraums erreichte als erster prominenter Besucher aus den Reihen der FPÖ Volksanwalt Walter Rosenkranz. Er hielt auch mit einer größeren Verspätung die Eröffnungsrede, die dann aber recht kurz ausfiel. Nach der Begrüßung richtete er eine Bitte an die Damen: "Lasst heute zumindest beim Tanz die Herren führen."

Überraschungsgast Lugner und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer.
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Kickl "kein großer Ballgeher"

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer hatte als Überraschungsgast Richard Lugner dabei, der bei seiner Vorstellung einen Riesenapplaus erhielt. Befragt nach dem Grund seiner Anwesenheit meinte Lugner, auf der Welt gebe "immer irgendwelche schlechten Ereignisse" – "warum sollen wir, weil die so blöd sind, nicht auf einen Ball gehen", fragte er mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Gleichzeitig betonte er auch, dass es eine "Sauerei" sei, was dort passiere. Gekommen sei er, weil er vom Dritten Nationalratspräsidenten – einem Freund – eingeladen worden sei.

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Auch FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer und der Wiener Landesparteiobmann Dominik Nepp ließen sich den Ball nicht entgehen, der von Kritikern als internationales Vernetzungstreffen Rechtsextremer betrachtet wird. Nepp, nicht gerade ein Meister der feinen Klinge, gab den anwesenden Journalistinnen und Journalisten "eine Schlagzeile" mit auf den Weg: "Drinnen sind die Patrioten, draußen die Idioten." Sein ebenfalls zur Dichtkunst neigender Chef, der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl, blieb der Veranstaltung wie auch in den bisherigen Jahren fern. Er befand sich nach eigenen Angaben auf Wahlkampftour für die Kärntner Landtagswahl – und sei außerdem "generell kein großer Ballgeher".

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Russische Delegation nicht da

Nicht gesichtet wurde laut Meldungsstand Freitagnacht jene russische Delegation, die anlässlich der zeitgleich stattfindenden Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE nach Wien gekommen war. Im Vorfeld des heurigen Akademikerballs gab es Spekulationen um einen möglichen Besuch der Delegierten – auch, wegen des Zusammenfallens der Ballnacht mit dem Jahrestag des russischen Einmarsches in der Ukraine fiel. Die FPÖ wies Berichte über eine allfällige Einladung der Delegierten brüsk zurück. Auch der russische Delegationsleiter Pjotr Tolstoj betonte im Vorfeld, es seien abseits der OSZE-Tagung keine anderen "Events, Bälle, Empfänge und so weiter" geplant. (Manuel Escher, Sandra Schieder, Michael Simoner, Elisa Tomaselli, Anna Wielander, 25.2.2023)